Montag, 7. Januar 2008

Essaywettbewerb

Essaywettbewerb im Rahmen meines Deutschkurses-
"Was mir an meiner Universität gut gefällt - und was mir nicht gefällt"
An meinem ersten Tag an der Hamburger Uni schien die Sonne.
Jeder, der hier schon einmal angelegt hat weiß, wie wertvoll Sonnenschein im Heimathafen Hamburg ist. Er verzaubert die gesamte Stadt. Ich saß im zehnten Stock des Philosophenturms und genoss den wunderschönen Ausblick. Bis zum Hafen konnte man sehen. Da schaut man nicht nur in die Ferne, sondern in die Freiheit. Für mich war es Grund genug, dies als ein gutes Zeichen zu deuten. Damals, am ersten Tag meiner Ausbildung, regnete es in Strömen. Vielleicht habe ich sie auch deshalb nach einem halben Jahr abgebrochen. Es gibt eben einige Menschen, die wetterfühlig sind. In den letzten Wochen sind die Sonnenstunden leider erheblich weniger geworden und auch die Aussicht trübt sich. Entgegen meiner romantischen Vorstellungen vom Studieren, verbringe ich die Erstsemestermonate nicht mit Kommilitonen, Büchern und Coffee to go (ich trinke lieber Tee, aber das klingt nicht so gut) unter dem Schatten spendenden Baum im Park. Es fehlen die Sonnenstrahlen, die mir beim Outdoorlernen die Schultern bräunen. Stattdessen bekomme ich kalte Füße, wenn ich an meinem Schreibtisch sitze. Trotz des Wintereinbruchs bleibt eine gewisse Romantik übrig. Auch wenn es nicht so aussieht, wie in den Filmen, in denen die Kamera über den Campus schwenkt und Menschengruppen in leichter Sommerbekleidung zeigt. Es ist herrlich. Mir gefällt diese kleine Oase. Sie bietet mir Schutz und gibt mir die Gelegenheit einen Teil meiner Naivität zu bewahren. Meine Ideale erleben ihren zweiten Frühling und endlich wage ich es wieder an mich und meine Vorstellungen zu glauben. Hier bin ich sicher vor dem wütenden Moloch, dem gewinnorientierten Monster da draußen, an dem die meisten Ideale schon aus Furcht scheitern und nicht erst in der Praxis. Hier treffe ich auf Gleichgesinnte und Mitstreiter. Hier können meine Ideen an der Kritik wachsen, bis sie groß und stark genug sind, um in der Realität zu bestehen. Hier steckt man in keinem Job fest, der einem wenig Freiraum lässt, auch mal an etwas anderes oder gar an die anderen zu denken. Man wird darin geschult, einen zweiten Blick auf die Tatsachen zu werfen. Das gefällt mir. Sowas brauchen die jungen Leute von heute. Zumindest die, die Wert darauf legen können. Leider gibt es immer welche, die keine andere Wahl haben. Ebenso traf ich schon auf zahlreiche, denen das Lernen in der Schule gereicht hat und es kaum erwarten konnten, ordentlich anzupacken und körperliche Arbeit zu leisten. Für Leute wie mich jedoch, ist dies genau das Richtige. Denn die Theoretiker von heute, sind die Praktiker von morgen. Jetzt stelle man sich mal vor, es gäbe die brotlosen Germanisten und Philosophen nicht. Nicht nur, dass Sie nach ausgiebiger Feierei keinen hätten, der Sie nach hause fährt, nein, mit Sicherheit wäre das Gesellschaftsbild nur halb so vielfältig. Wollen Sie das wirklich? Rein ökonomisch denkende Bürger? Das Studieren ist jedenfalls alles andere als ökonomisch wertvoll. Hätte ich meinen Idealismus nicht, wäre dies bis dato eine recht unerschwingliche Investition. Schon nach einem halben Semester, droht mir die Privatinsolvenz. Alleine der Weg hier her, war steinig genug. Wissen Sie, wie schwierig es ist, ein Philosophie- oder Germanistikstudium anzufangen? Die Zulassungsbedingungen sind da das kleinere Übel. Alleine die Verwandtschaft davon zu überzeugen, grenzt schon an ein Meisterwerk. All die Fragen zu überleben wie „und was willst du damit?“ und die gesammelten Artikel zum Thema „Studium und die Aussichten“ vermitteln fast aussichtslose Perspektiven. Ich sage Ihnen, egal ob zu Ende studiert wurde, oder nicht: diese Geisteswissenschaftler und brotlosen Künstler, die Tagträumer, Politik-, Gesellschafts- und Kulturbegeisterten, fassen wir sie als die Noch-Unwirtschaftlichen zusammen, sie sind aus einem besonderen Holz geschnitzt. Denn egal, was aus ihnen wird, sie wissen was es bedeutet, sich für das einzusetzen, woran Herz und Verstand hängt. Und Sie können mir jetzt nicht erzählen, dass dieses Land nicht auch solche Leute braucht. Egal in welchem Beruf. Die Universität ist ein gesellschaftlicher Mikrokosmos. Hier kann man nicht nur zum Fachidioten werden, sondern sich gleichzeitig auch an die Gegensätze gewöhnen. Der Campus! Hier lebt Wirtschaft, Politik, Kunst, Kultur und Recht noch unter einem Dach. Hier erklären sich Philosophen und Physiker die Welt aufs Neue. Im offenen Diskurs auf den Rasenflecken in der Mittagssonne (jetzt kommt wieder meine sommerliche Romantik ins Spiel) kann man sich gegenseitig an die jeweiligen Grenzen des eigenen Wissens stoßen. Mit theoretischer Leichtigkeit, können hier, von allen gemeinsam, neue Ansätze geschaffen werden, die für die gesamte Gesellschaft von Nutzen sind. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht direkt. Aber mit Sicherheit wird es sich auszahlen. Zumindest sagt mir das mein Sinn für Idealismus. Und deshalb lohnt sich das Studium doch, sogar das der Geisteswissenschaften, inklusive der kalten Füße am Schreibtisch und der drohenden Privatinsolvenz. Es wäre allerdings schön, wenn sich noch zusätzliche Investoren fänden. Denn bei all dem Glauben an das Gute, weiß ich noch nicht, wie ich die Studiengebühren aufbringen und gleichzeitig den Bachelor erfolgreich abschließen soll, ohne dabei einen Kredit bei der Verwandtschaft oder der nächsten Bank aufzunehmen. Aber wie soll ich das, als prognostizierte Taxifahrerin jemals wieder abbezahlen? Laut Statistik sehe ich dunkelgrau bis schwarz. Dieser Gedanke gefällt mir nicht, aber es wäre nicht meine Art, mich deshalb von meinem Vorhaben abbringen zu lassen. Und so verbleibe ich bei meiner naiven Ansicht über das Studium, erwarte fundiertes Wissen, weltbewegende Erkenntnis und Inspiration und freue mich auf die ersten Tage Campusleben im Sommer…