Samstag, 1. März 2008

"Sofort"

Gestern stand ich an der Bushaltestelle und war erstaunt über die Vorstellung des HVVs von der Dauer eines Momentes.
Die digitale Anzeigetafel, die es dem Bürger erspart per Blick auf den Haltestellenaushang und der Uhrzeit auszurechnen, wann der ersehnte Bus nun kommen würde, kündigte mir ein "sofort" an. Ich wartete, wunderte mich und erinnerte, dass meine Mutter damals, als sie dieses Wort erzürnt aussprach meinte "genau jetzt". Da hatte man innerhalb von Sekunden zu handeln. Selbst wenn es nur ein spontan gebrülltes "Nein!" als augenblickliche Reaktion war. Dies prägte meine sinngemäße Verknüpfung von Bedeutung mit der bloßen Buchstabenabfolge S-O-F-O-R-T. Der HVV scheint jedenfalls ein anderes "sofort" zu meinen. Und dann fing ich an, darüber nachzudenken, wie diese digitalen Anzeigetafeln eigentlich funktionieren, ob sie das Geld wert waren und ob ich mal wieder auf die Straße gehen sollte, um für die sinnvolle Einsetzung von Steuern zu plädieren. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich für meinen Teil würde lieber auf den Haltestellenaushang schauen und selber rechnen (und das, obwohl ich in Mathe immer eine Niete war) und dafür weniger Studiengebühren zahlen...
... Womit wir beim Thema wären, denn seit Oktober letzten Jahres darf ich mich offiziell als Student bezeichnen. Dieser ehrenwürdige Titel ermöglicht mir unter anderem, Rabatte an der Kinokasse zu ergattern. Darauf, dass ich dafür alle sechs Monate 743 Euro hinblättern muss und wieviele Male ich ins Kino müsste, damit sich dieser Status lohnt, abzüglich der immensen Summen, die ich bei jedem Kinobesuch für salziges Popcorn und M&Ms ausgebe, gehe ich nicht weiter ein. Es würde vermutlich in einem erneuten Konflikt mit dem dehnbaren Begriff der Zeit enden. Denn auch die verantwortlichen Theoretiker in der Bildungspolitik scheinen mit ihrer Vorstellung von dieser Maßeinheit, erheblich von meiner abzuweichen...
Ich kann es also nur bestätigen: das herrschende Klischee (manchmal schockierend, diese neue Rechtschreibung) des ach so armen Studenten. Vielleicht sollten auch wir uns verbünden und in unserer vorlesungsfreien Zeit ein Straßenmagazin entwickeln, um es an die konsumfähigen Mitbürger verkaufen, damit auch wir uns mal einen überteuerten Kaffee in Pappbechern kaufen könnten? Das Stichwort Kaffee möchte ich an dieser Stelle nutzen und eine elegante Überleitung zum nächsten Punkt zu schaffen: Das Klischee (ich bin immer noch entsetzt!) des Studenten, der die immatrikulierte Lebenszeit dafür nutzt literweise braunes, bitteres Wasser im Kreise seiner Kommilitonen zu trinken und mehr Zeit in geselliger Runde in Eckkneipen verbringt, als in der Staatsbibliothek. Es ist nicht existent. Zumindest nicht seit der Einführung des Bachelors. Meiner Meinung nach.
Nichtsdestotrotz ist es schon ein toller Titel. Das erste Semester liegt hinter mir und ich habe Lust auf das zweite. Vergleicht man dies mit den Berufsschulhalbjahren während meiner Ausbildung, so ist eine empfundene Verbesserung durchaus zu erkennen. Und das, obwohl mein lieber Tutor in der Schule damals sagte: "Was willst du? Studieren? Philosophie? Aber du bist doch gar nicht so der Typ "Wissenschaftler"..." An dieser Stelle frage ich mich, was genau ein Wissenschaftler ist. Einstein schrieb einmal: "Die gegenseitige Beziehung von Erkenntnistheorie und Wissenschaft ist von merkwürdiger Art. Sie ist aufeinander angewiesen. Erkenntnistheorie ohne den Kontakt mit Wissenschaft wird zum leeren Schema; Wissenschaft ohne Erkenntnistheorie ist soweit überhaupt denkbar primitiv und verworren" und da Erkenntnisse sowohl rationaler als auch empirischer Natur sein können, bin ich instinktiv davon überzeugt, dass ich nicht völlig ungeeignet bin. Das hab ich so im Gefühl...