Montag, 2. März 2009

Highfisch

Ich muss ungefähr fünf Jahre alt gewesen sein, als ich im Bett neben meiner Mutter lag und so tat, als würde ich schlafen... Es war schon spät und das einzige, was das Zimmer erhellte, war das Flimmern des Fernsehers. Ich ließ meine Augen einen klitzekleinen Spalt offen, um zu sehen, was für ein Programm lief. Man musste sich geschickt anstellen, denn es durfte nicht anstrengend werden, sonst hätte man das Gesicht verzogen und wäre aufgefallen.. Zu weit durften die Augen auch nicht geöffnet sein, man wollte sich nicht gleich verraten.. Nein, nur ein klitzekleiner Spalt... Und dann den Kopf in einer solchen Position, dass man auch genug sehen kann.. Ich tat so, als würde ich mich im Schlaf repositionieren, dabei justierte ich nur mein Sichtfeld... Der Film hatte schon längst angefangen... Schön! Leute auf einem Boot, mittem im Meer... Dum dum... Dum dum... Dumdumdumdumdumdumdumdum... Oh! Iiiih! Ein Hai frisst sie auf...

Ich wusste ganz genau, dass der Film nicht für Kinder war. Aber irgendwann konnte ich auch nicht mehr wegschauen...

... Die Folgen davon schleppe ich bis heute mit mir rum. Zunächst äußerte sich das Trauma darin, dass ich wochenlang nicht in die Badewanne gehen mochte. Mama musste entweder mit im Badezimmer sein, oder ich brauchte eine andere Form von Ablenkung, denn ich hatte ständig Angst davor, dass der Hai aus dem Abflussdings kommt und mich auffrisst und sich das ganze Wasser rot färbt... Irgendwann schaltete sich mein Verstand ein: Der Hai passt gar nicht in die Badewanne (und auch nicht durch den Abfluss...), also keinen Grund zur Panik! Dann hatte ich nur noch Angst im trüben, dunklen, aber auch klaren und besonders tiefen Gewässern... Das konnte sowohl das Tauchbecken in der Badeanstalt sein, als auch die unbeleuchtete Hälfte des Pools meiner Großeltern, oder der Badeteich in der Nähe von Hamburg... Doch auch da, funkte irgendwann mein Verstand dazwischen und beruhigte mich: Es gibt keine Haie in Teichen oder Tauchbecken... Dann hatte ich nur noch Angst im offenen Meer... Bis heute... Und ich wüsste nicht, inwiefern mein Verstand mir da weiterhelfen kann... Ich habe es in San Diego mit einer Minischocktherapie versucht. Ich war allein im Sea World und bin durch diese Unterwassertunnel spaziert, und um mich rum schwammen SIE, die Haie... Dazu hab ich folgendes zu sagen: In irgendeinem Teil vom Weißen Hai geht so ein Aquariumtunneldings kaputt und die ganzen Leute werden aufgefressen und das Wasser färbt sich rot....!

Nun gut, es gibt Momente, da denkt man nicht so daran... an dieses "Dum dum... Dum dum... Dumdumdumdumdumdumdumdum..." Oder man denkt nur kurz daran und denkt dann an etwas anderes... So einen Moment hatte ich in Mt. Maunganui.

Ich war erstaunt, wie warm das Wasser war, als ich mich, mit Elena neben mir und dem Surfbrett unterm Arm, in die Fluten stürzte. Ich war so sehr darum bemüht, das Surfbrett nicht in die Fresse zu... zu spät... "Du musst es immer hinter dir haben, dann kann die Welle nicht..." Ah. Danke! ... das Surfbrett nicht in die Fresse zu kriegen, dass mir der große, böse Fisch (man erwähnt dieses Wort nicht, wenn man sich im offenen Ozean befindet, genauso wenig, wie man "Absturz" erwähnt, wenn man im Flugzeug sitzt) gar nicht in den Sinn kam... Ich paddelte ein wenig und Elena half mir tatkräftig, meine erste Welle zu erwischen. Irgendwann schaffte ich es auch, aufzustehen und ich dachte "Cooooooool!"... auch, wenn ich eher über die Ausläufe der Wellen geglitten, als gesurft bin. Aber hey, immerhin! Es war herrlich... und ich war stolz auf mich, dass ich im Wasser war, ohne dass mir dieses imaginäre
"Dum dum... Dum dum... Dumdumdumdumdumdumdumdum..." in den Ohren lag. Irgendwann hatte ich genug. Man muss es ja nicht gleich übertreiben. Meine Hüftknochen taten auch schon etwas weh und meine Ohren fingen an zu schmerzen (hab ich ganz oft beim schwimmen... ich pussy!).



Also raus aus dem Wasser, ab aufs Handtuch zum Trockenliegen. Irgendwann war auch gut mit Sonne und wir sind zurück zum Haus gegangen. Cool! Ich war surfen... Endlich... Das letzte Mal, als Papi mir versucht hat das beizubringen, habe ich schlagartig das Wasser verlassen (auf dem Ende des Surfbrettes sitzend, die Knie angezogen, damit ich nicht das Wasser berühren musste, Papi hat's an Land geschleppt), weil ich eine große Qualle gesehen hab. Das ist ungefähr siebzehn Jahre her. Danach nie wieder... Oh, ich finde das Wasser wunderbar und ich liebe das Meer und den Strand... Aber dieses
"Dum dum... Dum dum... Dumdumdumdumdumdumdumdum..."- Gefühl?!

"Anyway"... Später am Abend ging ich am Strand entlang und betrachtete ganz stolz die Fluten. Ha! Ich war surfen... Ich horchte, horchte genauer, aber es war nur der Wind und das Meeresrauschen in meinen Ohren...

Eine Freundin von Elena kam mir entgegen. "Hey, wie geht`s?" "Oh, mir geht es super! Ich war heute zum ersten Mal surfen... Ich hab das vorher nie wirklich probiert, weil ich... mich nicht getraut habe." "Wow! Toll! Ich war heute nicht surfen... Zum Glück!" "Wie, zum Glück?" "Freunde von mir waren heute im Wasser und haben einen über zwei Meter großen Hai gesehen..." "Die haben was? Im ernst?" "Ja ja, wirklich. Heute... da hinten!" (Alles auf Englisch natürlich)

Wir verabschiedeten uns, ich starrte auf den offenen Ozean, meine mit Stolz gefüllte Brust fiel in sich zusammen, wie ein Hefekuchen, den man erschreckt hat... Ich betrachtete die Fluten und horchte, lauschte dem Meeresrauschen, horchte genauer...
"Dum dum... Dum dum... Dumdumdumdumdumdumdumdum..."

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