Dienstag, 22. Mai 2007

voila- moiLA!


Wie man sieht, immer noch heile, belesen und so langsam gebräunt...

Dank der früh einsetzenden Dunkelheit und meiner nicht zu spät einsetzenden Vernunft, habe ich was besseres zu tun, als zu später Abendstund durch die finsteren Gassen zu streunen und den Obdachlosen ihre Nachtruhe zu stören: Ich lese. Zugegeben, teilweise grenzte es an eine Art Marathon. Aber so ist das... Hey, auch im Urlaub muss man sich mal eine Pause gönnen... Und so konnte die Menschheit nur knapp ihrem eigenen Ende entkommen und ich reiste mental durch die unbekannten Tiefen des Ozeans, und begleitete in einem anderen Buch drei Seelen durch die industrielle Revolution, dem 21. Jahrhundert und dem, was noch ungeschrieben steht.

Sonntag hat mir Michael tagsüber nochmal den typischen Venice-Straßen-Alltag gezeigt.

Der Tag begann mit einem späten Frühstück auf dem Farmers Market. Ich bin in den Genuss einer mexikanischen Spezialität gekommen- TAMALES (http://www.elmonterey.com/mexicanculture/tamales.aspx) und habe natürlich die vegetarische Variante, gefüllt mit Ziegenkäse-Basilikum und getrockneten Tomaten-Matsch, gegessen und meine Geschmacksnerven sind im Dreieck gesprungen.. Ei! War das lecker!

Dann hat mir Michael sämtliche Persönlichkeiten von Venice Beach vorgestellt. Jeder der Leute, die am "Promenadenrand" sitzen, hat seine eigene Geschichte (okay, blödes gephrase... jeder Mensch auf Erden hat seine eigene Geschichte...egal.), zwei davon sind mir im nachhinein im Gedächtnis geblieben:

Der eine, um die 50, die Haut schon fast ledern von der vielen Sonne, die Hände grau vom Staub und der Bart vergilbt vom Nikotin, deckte vor ungefähr drei Jahren sämtliche Möbel in seinem Haus in Texas ab, kündigte seinen Job und beschloss "Obdachloser in Venice" zu werden, nachdem ihn seine Frau verlassen hat (oder gestorben ist, das wusste Michael nicht mehr genau...). Und da sitzt er nun und verdient sein Geld damit, dass er ab und zu seine Gedichte, auf vorher farblich angemalten Pappen gepinselt, an Touristen verkauft.

Die andere, etwa so alt wie ich, kommt ursprünglich aus Brasilien. Sie lebt seit zwei Jahren in Venice und schreibt für Paramount Music Songs. All das Geld, was sie dadurch übrig hat, schickt sie zu ihrer Familie zurück nach Südamerika. Ihre eigenes Taschengeld verdient sie damit, dass sie tagsüber am Venice Beach Hennatattoos malt.

Daneben sitzen die Klischeehippies mit unrasierten Beinen, die Leute die vor lauter Drogen im Blut weder geradeaus gucken, noch still sitzen können, alle drei Meter versucht dir ein Afroamerikaner FlipFlops anzudrehen und die Chinesen an der Ecke verkaufen Sonnenbrillen, Taschen und Turnschuhe. Es werden neue Weltanschauungen gepredigt, hier zeigt jemanden Bilder von verstümmelten Tieren und versucht Vorbeigehende zum Vegetariertum zu konvertieren und dort ist jemand der dir Tarotkarten legen will oder aus deiner Hand lesen möchte... Manche sitzten nur da und singen ihre Lieder, andere stehen mit ihren Turntables den ganzen Tag in der Sonne und "scratchen" was das Zeug (aus)hält oder verteilen ihre selbstgebrannten CDs. Es gibt Messerwerfer, Feuerspucker, Seiltänzer, Trommler, die Leute verkaufen Schmuck, Steine, Schrott... Und die legendären Muskelprotze, die aus dem damaligen "Muscle Beach" und halt den Typen, den man schon seit mindestens zwanzig Jahren kennt: Mit E-Gitarre und Rollschuhen.

Ja, Venice ist bunt und der Grad zwischen Arm und Reich ist sehr schmal. Aber das prägt den Charakter dieses faszinierenden Ortes, der wahrscheinlich auch durch jene "dazwischen", nämlich die, die den Ort einfach nur besuchen, nie langweilig wird... Für den einen ist es ein Lebensstil, für die anderen eine Attraktion.

Diesem Schauspiel hätte ich stundenlang zusehen können, immer wieder aufs Neue.

Jeden Tag bin ich am Strand entlang gewandert, hab mich mal hier und mal dort hin gesetzt und beobachtet und zwischendurch gab es die gelegentlichen Abstecher an die Kanäle oder über die Main Street bis nach Santa Monica hoch.

Ach, das war schon nett... Und nach viel mehr sehen, war mir dann auch gar nicht mehr. Der Ausschnitt von LA war zwar klein, aber intensiv...

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